Als Sittenroman bezeichnet man eine Gattungsvariante des Romans, in dem die Darstellung der sozialen Konventionen einer bestimmten Gesellschaftsschicht im Mittelpunkt steht. Das klassische Grundprinzip eines so genannten „Sittenromans“ ist die Offenlegung der jeweiligen gesellschaftlichen Sozialmechanismen anhand der persönlichen intellektuellen und sexuellen Emanzipation eines Einzelindividuums. Dabei kann der oder meist die Protagonistin, wie z.B. Émile Zolas Nana, Gustave Flauberts Madame Bovary oder Theodor Fontanes Effi Briest, in jeder Hinsicht scheitern oder zumindest beruflich erfolgreich in der Überwindung von Klassenschranken sein – oft sind die sozialen Werte auf der Strecke geblieben, um so der Gesellschaft ihren anprangernden Spiegel vorzuhalten. Doch in der Regel sind die Helden der jeweiligen Romane am Ende Paria, Ausgestoßene der selbst verkrusteten und dekadenten Gesellschaft, die sich ihrerseits im Fin de Siècle befindet. Bereits bei der ersten Übersicht fallen die Überschneidungen zum ähnlich charakterisierten Gesellschaftsroman auf. Während manche Literaturgeschichten zwar selbst den Großstadtroman und vor allen Dingen den Gesellschaftsroman unterscheiden, wird man selbst im Index den Sittenroman vergeblich suchen. Dem entgegen steht jedoch oft die zeitgenössische Selbstbezeichnung im Verlagsbereich.